Badische Mundart (Auszug)

Quelle: Badische Zeitung, 10. Juni 2000

Die mehr oder minder weisen Sprüche zum Verhältnis von Eltern und Kindern

War das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern früher wirklich besser?
Schwerlich, wenn man der Botschaft, die Sprichwörter und volkstümliche Weisheiten vermitteln, Glauben schenken darf. Auch früher schon war es scheinbar nicht selbstverständlich, dass sich eine reiche Kinderschar um die alt werdenden Eltern kümmerte. Menk Vadder nährt liichter sibe Chinder, aß sibe Chinder ain alde Vadder, diese Weisheit entstammt sicher nicht einem Einzelfall. Ähnlich gelagert ist auch ein anderes Sprichwort: E Wittfrau ohni Chindre isch aimool vrlasse, mit Chindre vielmool.

Nicht viel besser aber war es oft in diesen Fällen, wo die Sorge um die Eltern einem Kind zufiel und zwar dem Alleinerben eines Hofguts. Obwohl damit die Pflicht verbunden war, die Eltern im Leibdingshaus oder -stübchen zu versorgen, gab es auch hier oftmals Streit und Unfrieden. Die Redewendungen Libding isch e bees (böses) Ding oder noch drastischer aus Nordbaden Leibgeding is e Scheißgeding sprechen eine deutliche Sprache. Ganz schlimm mutet uns gar das aus Ettenheim überlieferte geflügelte Wort an: Vadder, spann der Schimmel aa, i will di in Rhiin fahre.

Doch nicht nur in der Unterstützung alter, kranker Eltern können Kinder versagen. Auch schon vorher können sie manchen Anlass zur Sorge geben. Besonders das Ausmaß der Schwierigkeiten mit größer werdenden Kindern wird thematisiert: D chlaine Chinder drampen (trampeln) aim uff d Füeß, d große uffs Herz sagt man im Markgräflerland, oder, fast schon als Zungenbrecher zu gebrauchen: Chlaini Chindre chlai Chrüz, großi groß Chrüz (kleine Kinder kleines Kreuz, große großes Kreuz).

Klagen über Kinder und deren fehlgeschlagene Entwicklung ist die eine Seite der Medaille. Die Erziehungskunst der Eltern, die hin und wieder auch zu wünschen übrig lässt, ist jedoch die andere. D Kinder luege de Eltre meh uff d Finger und d Füeß aß uffs Muul sagt man, wenn die Tatsache herausgestellt werden soll, dass alles gute Zureden nichts nützt, wenn das Vorbild nicht stimmt. Und auch Vergleiche aus der Landwirtschaft werden herangezogen: Mit Wie de Acker, so die Ruewe, wie de Vader, so die Buewe wird klargestellt, dass bei einem unzulänglichen Elternhaus von den Kindern keine Wunder erwartet werden dürfen.

Auch übermäßige körperliche Züchtigung wird für schädlich gehalten, wie das folgende Sprüchlein aus Stockach belegt: De Birkle mit dem Beseschdiil, der haut die Kindr gar zu vil. Allzuvil ischd ungesund: De Birkle isch en Lumpehund. Überhaupt lässt sich der Volksmund auch hin und wieder als Anwalt der Kinder zitieren: Chindre müen gspielt ha wird angeführt gegen zu frühes Einspannen in Pflichten.

Und überzogene Ansprüche der Eltern werden mit folgendem Satz relativiert: Wammer d Kinder schickt, kumma a widda Kinder, was soviel heißt, wie: Wenn man Kinder schickt, Besorgungen zu erledigen, darf man nicht erwarten, dass sie alles zur vollsten Zufriedenheit erfüllen.

Und dass materieller Wohlstand nicht unbedingt mit einem warmen Zuhause gleichzusetzen ist, wird mit folgender Feststellung kommentiert: Reiche Leit ihr Kinder un arme Leit ihr Kinder sen bald alt genuug.

Friedel Scheer-Nahor

Dialektatlas

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Arbeitsbereichs Badisches Wörterbuch an der Univ. Freiburg

Das Material zu den Karten der Serie stammt aus einer Erhebung, die in den 1970er und 1980er Jahren für den Südwestdeutschen Sprachatlas an der Universität Freiburg stattgefunden hat.

Wer mehr wissen will: Hubert Klausmann, Konrad Kunze und Renate Schrambke haben das Buch Kleiner Dialektatlas. Alemannisch und Schwäbisch in Baden-Württemberg im ehem. Konkordia-Verlag, 77815 Bühl herausgegeben (1997) ISBN 3 782601661.