Vielfältiges Alemannisch

Quelle: Kleiner Dialektatlas ISBN 3-7826-0166-1 von H. Klausmann, K. Kunze und R. Schrambke.
Erschienen 1997, Konkordia-Verlag, 77815 Bühl.
Mit freundlicher Genehmigung des Alemannischen Instituts, Philosophische Fakultät III der Universität Freiburg.

Regionale Vielfalt

An den Ortsnamen läßt sich ablesen, in welchen Gegenden die Eroberer, nachdem sie das von den Römern besetzte Land lange noch in halbseßhafter Weise in größeren Personenverbänden durchzogen hatten, seit dem 5. Jahrhundert endgültig feste Siedlungsplätze bezogen haben. Die ältesten alemannischen Siedlungsnamen in unserem Gebiet enden auf -ingen. Zwischen den Siedlergruppen lagen jahrhundertelang große unbewohnte Gebiete, vor allem der Schwarzwald. Es lässt sich gut vorstellen, dass sich dadurch ihre Sprache auseinander zu entwickeln begann.

Beispiel Weinpresse

Ein bekanntes Beispiel für die frühe Auseinanderentwicklung des Alemannischen sind die Bezeichnungen für die Weinpresse, welche die Alemannen von den Römern kennenlernten. Am Oberrhein übersetzten sie das lateinische Wort calcatura für eine Vorrichtung, in der die Trauben mit den Füßen gestampft wurden, mit Trotte, das sich von treten ableitet. Aus Oberitalien aber stammt das Wort torcular Drehpresse, das als Torkel über Tirol bis zum Bodensee gelangte. Über Mosel und Mittelrhein drang schließlich das Wort Kelter ein, eine Eindeutschung von lateinisch calcatura, das im Mittelalter auch neckaraufwärts bis mindestens in die Gegend von Tübingen üblich war und dort erst in neuerer Zeit durch Presse oder Baum ersetzt wurde. Trüel im Südwesten der Schweiz ist dagegen aus altfranzösisch tru(e)il Traubenpresse entlehnt.

So begann eine Entwicklung, durch die das Alemannische heute eher wie ein Ergebnis der babylonischen Sprachverwirrung denn als Ursprache der Menschheit erscheint. Zwischen dem Dialekt des Stuttgarters, des Berners, des Straßburgers und des Augsburgers, die alle Alemannisch reden, liegen Welten.

Man braucht fast einen Dolmetscher

Bei einer Zugreisebeginnt ein Schweizer ein Gespräch mit einem Berliner, der ihm gegenüber sitzt: Sind´r scho mol z´Züri gsii?

Der Berliner fragt zurück: Wie bitte? Ick kann Ihnen nich vastehn! Der Schweizer: Scho mol z´Züri gsii?

Als der Berliner immer noch nicht versteht, schaltet sich vermittelnd ein Schwabe ein: Er moint: gwea!

Kartoffeln, Grumbire und Herdäpfel

Konfessionelle Unterschiede

Konfessionelle Unterscheide zeigen sich zum Beispiel darin, dass für die Kartoffel im alemannischen Raum in katholischen Gebieten die Bezeichnung (H)ärdepfel (Erdapfel), in evangelischen Gegenden aber oft Grumbiire (Grundbirne) bevorzugt wird. Siehe Karte:

👉Grumbiere net newe de Zwiwwele!


Breisgau-Markgräflerland-Hochschwarzwald

Besonderheiten des Dialekts

Beginnen wir im Norden: Das Messer am Pflug nennt man zw. Bühl und Kenzingen Pflugeisen, gesprochen Pflüagiise. In Nordbaden sagt man Schar, im Breisgau Wegeisen, gesprochen Waagiise.

Besonderheiten des Dialekts

Eine Besonderheit des mittleren Schwarzwaldes ist die Aussprache von "brot" als Broot, von "Schnee" als Schnää und von "Samen" als Suume. Mit dieser Besonderheit stet dieses Gebiet wieder im Zusammenhang mit den ostalemannischen Gebieten.

Mit den Wörtern Dirlips und Dornipe für die Futterrübe kommen wir zu den Breisgauer Eigentümlichkeiten. Beide Wortformen gehen auf eine Sortenbezeichnung zurück, hinter welcher das engl. Wort turnip "Rübe" steht. Rechtsrheinisch sagt man ansonsten Runkelrübe, Kunkelrübe, Rotrübe, Dickrübe u.ä.

Besonders deutlich hebt sich der Breisgau bei den Bezeichnungen für "fegen" ab, denn nur zwischen Herbolzheim und Oberrimsingen sowie im Elz- und Dreisamtal kennt man das Wort schweifen. (Z.B. Hesch scho Strooß g´schweift?)

Die Fettschicht auf der rohen, ungekochten Milch nennt man im Dreisamtal Millere, im Elztal Mirre, am Kaiserstuhl Raum, Roim oder Ruum "Rahm".

Die Ausdrücke für den Raben sind meist lautmalender Natur, d.h., dass die Bezeichnung die Stimme des Vogels nachahmen soll. So heißt er im Schwarzwald Grajer, Graje, Grai "Krähe", während am Tuniberg und in der benachbarten Markgrafschaft die Lautung Graager gilt.

In diesem Gebiet werden im übrigen auch alle langen e- und o-Laute zu ei und ou zerdehnt (z.B. Schnei "Schnee", Oube "Abend").

Nur für die Markgräfler Mundarten charakteristisch ist der Ausdruck für ginnen für "ernten" (z.B. von Kirschen). Es handelt sich hierbei um eine Kurzform von gewinnen. Im Breisgau sagt man hierzu brechen oder herabmachen.

Zum Abschluss zu einigen sprachlichen Besonderheiten am Hochrhein und Hotzenwald. Das Wort "Bett" wird nur zwischen Rheinfelden und Bad Säckingen mit ä gesprochen, also Bätt, und wer zu einem zweigriffigen Holzkorb Schiiner sagt, muß aus dem kleinen Gebiet zwischen Waldshut und Herrischried, also aus dem Hotzenwald kommen.