Herbstwanderung im Rebberg

Spätsommer (Hermann Hesse)

Noch schenkt der späte Sommer Tag um Tag
voll süßer Wärme. Über Blumendolden
schwebt da und dort mit müden Flügelschlag
ein Schmetterling und funkelt sammetgolden.

Die Abende und Morgen atmen feucht
von dünnen Nebeln, deren Naß noch lau.
Vom Maulbeerbaum mit plötzlichem Geleucht
weht gelb und groß ein Blatt ins sanfte Blau.

Eidechse rastet auf besonntem Stein,
Blätterschatten Trauben sich verstecken.
Bezaubert scheint die Welt, gebannt zu sein,
in Schlaf, in Traum, und warnt dich, sie zu wecken.

So wiegt sich manchmal viele Takte lang
Musik, zu goldener Ewigkeit erstarrt.
Bis sie erwachend sich dem Bann entrang
zurück zu Werdemut und Gegenwart.

Wir Alten stehen erntend am Spalier
und wärmen uns die sommerbraunen Hände.
Noch lacht der Tag, noch ist er nicht zu Ende.
Noch hält und schmeichelt uns das heut und Hier.

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Alle Bilder: © Kurt Hartenbach, September 2005

Herbsttag (Rainer Maria Rilke)

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.